Auf der Suche nach Lebensrettern für Blutkrebs­patienten: So einfach wird man Stammzell­enspender

Susanne Bogner von blut.eV beantwortet 10 Fragen, die jeder zur Registrierung als Stammzellenspender hat

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Susanne Bogner, blut.eV

In Deutschland wird laut der Deutschen Knochenmark­spenderdatei alle 15 Minuten ein Mensch mit Blutkrebs diagnostiziert. Blutkrebs ist ein Sammelbegriff für Krebserkrankungen des blutbildenden Systems oder Knochenmarks, wovon Leukämie die am häufigsten verbreitete Form ist. Im Gegensatz zu Krebsformen wie Darm- oder Brustkrebs bilden sich bei Blutkrebs keine soliden Tumoren, die man operativ entfernen könnte. Stattdessen entarten die Blutzellen zu Krebszellen und führen ihre lebenswichtigen Funktionen nicht aus. Eine der Behandlungs­möglichkeiten bei Blutkrebs ist die Stammzell­transplantation von Spendern. Bei dieser Therapie helfen die Stammzellen des Spenders, die nach einer Chemotherapie verbliebenen Tumorzellen im Patienten abzutöten. Wir fragten Susanne Bogner, erste Vorsitzende des Vereins blut.eV, wie man Stammzellen­spender wird und was dabei alles zu beachten ist.

1. Wie viele Spender werden gesucht?

Susanne Bogner: So viele, dass für alle Blutkrebspatienten ein passender Spender gefunden werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer Mensch als Spender in Frage kommt, reicht von 1 : 10.000 bis zu 1 : mehreren Millionen. Das kommt darauf an, ob der Patient sehr seltene oder eher häufige genetische Merkmale hat, die für die Spende übereinstimmen müssen. Es kann also nie genug Spender geben – je mehr Spender registriert sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein passender Spender gefunden werden kann.

2. Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen, um Stammzellen­spender zu werden? Muss ich eine bestimmte Blutgruppe haben?

Die Blutgruppe spielt tatsächlich keine Rolle, der Empfänger hat nach der Transplantation die Blutgruppe des Spenders, egal welche er vorher hatte. Bei Blutkrebs ist das blutbildende System eines Menschen nicht mehr funktionsfähig, transplantiert wird daher das System eines gesunden Menschen. Alle Informationen, die der Körper braucht, um so ein neues System bei sich einzuführen, sind in den Stammzellen vorhanden.

Die Transplantation an sich ist recht unspektakulär, dem Patienten wird einfach ein Beutel mit Stammzellen des Spenders per Infusion zugeführt. Damit die Zellen anwachsen können, muss – und jetzt kommt das Entscheidende – der Spender in ganz bestimmten genetischen Merkmalen mit dem Empfänger übereinstimmen, daher der Begriff „genetischer Zwilling“.

Am besten funktioniert die Therapie, wenn der Spender möglichst jung ist. Aufnehmen lassen kann sich jeder gesunde Mensch ab 17 Jahren. Bei den meisten Dateien ist ab 45 Jahren ein Aufnahmestopp für neue Spender. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein fremder Spender über 45 Jahren herangezogen wird ist verschwindend gering, und durch die Altersgrenze macht man die Organisation der Dateien auch schlanker und effizienter, was wiederum die Suche einfacher macht.

3. Wie kann ich mich am besten als Stammzell­spender registrieren? Wird mir dabei Blut abgenommen?

Es gibt in Deutschland über zwanzig verschiedene Dateien, die Stammzell­spender registrieren. Alle sind aber miteinander vernetzt und tauschen die Daten über ein zentrales Register in Ulm (ZKRD) aus. Wir empfehlen den Spendern, sich bei einem Register in der Nähe des Wohnortes aufnehmen zu lassen. Wenn man dann tatsächlich als Spender in Frage kommt, ist das viel einfacher zu bewältigen. Eine Liste der Dateien findet man hier: www.zkrd.de/de/adressen

Wir arbeiten hier in Bayern mit der Datei „Aktion Knochenmarkspende Bayern, AKB“ zusammen, die sitzt in Gauting und ein tolles Team macht dort hervorragende Arbeit.

Registrierung als Stammzellenspender. Bild: blut.eV

Zur Bestimmung der entscheidenden Gewebsmerkmale braucht man entweder Blut oder einen Schleimhaut­abstrich. Beides funktioniert und man kann bei den Dateien auch beides anfordern. Blut ist dabei noch immer der bessere „Laborrohstoff“, und gibt auch noch ein paar weitere Informationen her, die der Watteabstrich noch nicht so zuverlässig liefert. Zum Beispiel ob der Spender Träger des CMV Virus (eine Art menschliches Herpes) ist oder nicht. Der Virus ist nicht schlimm, aber auch hier ist es wichtig, dass Spender und Empfänger entweder beide Träger sind oder nicht. Wenn diese Information schon vorliegt, kann das auch zur Beschleunigung der Suche nach einem passenden Spender beitragen, da keine Zeit für die Bestimmung nachträglich verwandt werden muss. Zeit ist oft ein kritischer Faktor für den Heilerfolg der Therapie – je schneller ein Spender gefunden wird, umso besser.

4. Ich habe mich schon bei einer anderen Organisation als Stammzellen­spender typisieren lassen. Soll ich mich nochmal über blut.eV typisieren, damit ihr auch meine Daten habt?

Nein, wie gesagt, alle Dateien arbeiten zusammen und sind über das ZKRD miteinander vernetzt. Einmal aufnehmen lassen reicht fürs ganze Leben.

5. Wie stehen die Chancen, dass ich zum Stammzellen­spenden aufgerufen werde?

Die Chancen sind statistisch betrachtet sehr gering, ich würde sagen sie liegen unter einem Prozent, gemessen an der Basis der weltweit gespeicherten Spender. Umso sensationeller, wenn dann tatsächlich ein Treffer aufpoppt!

6. Falls mich ein Blutkrebspatient als Spender braucht, was passiert dann bei der Entnahme meiner Stammzellen? Werde ich operiert?

Eine Operation ist heute nur noch sehr selten erforderlich. Zumeist können die Stammzellen aus dem Blutkreislauf abgesammelt werden. Das sieht dann so aus wie bei einer Dialyse oder Blutwäsche und dauert circa drei bis vier Stunden. Wenn man als Spender in Frage kommt, wird man von den betreuenden Dateien sehr ausführlich und gründlich über alles informiert und kann auch mitentscheiden.

Auf den Spender wird besonders gut aufgepasst, er ist ja ein extrem wertvolles personifiziertes „Medikament“, das nirgendwo sonst auf der Welt gefunden werden kann!

Welche Methode zur Entnahme der Stammzellen angewendet wird hängt sowohl vom Patienten als auch vom Spender ab. Auf den Spender wird besonders gut aufgepasst, er ist ja ein extrem wertvolles personifiziertes „Medikament“, das nirgendwo sonst auf der Welt gefunden werden kann! Über die Entnahmemethoden kann man sich auch vorab im Internet gut informieren, es gibt viele Filme und Artikel dazu. Oder einfach bei einer Datei anrufen, gerne auch bei uns +49 8179 94 38 33 und direkt die Fragen stellen.

7. Welche Risiken habe ich als Spender bei der Entnahme von Stammzellen? Brauche ich die nicht?

Im Grunde hat der Spender bei der Entnahme mittels einer OP das Risiko der Vollnarkose. Bei der anderen Methode muss sich der Spender über vier oder fünf Tage lang ein Medikament spritzen oder spritzen lassen, das bewirkt, dass genügend Stammzellen im Blutkreislauf sind, um die „Absammel-Methode“ (Leukapherese genannt) durchführen zu können.

Im ersten Fall (OP) sind die entnommenen Zellen nach drei Wochen wieder vollständig nachgebildet. In den drei Wochen schont sich der Spender ein bisschen, hat aber nicht wirklich Nachteile durch die fehlenden Zellen (wie bei der Blutspende auch). Im zweiten Fall werden überschüssige Zellen abgesammelt, die gar nicht gebraucht werden, auch hier entsteht kein Defizit für den Spender.

8. Falls ich spenden sollte, lerne ich den Menschen kennen, der meine Stammzellen erhält? Sehen wir uns im Krankenhaus?

Im Krankenhaus seht ihr euch auf keinen Fall, das ist streng verboten. Wir hatten das tatsächlich schon mal, dass Patient und Spender im gleichen Krankenhaus, auch noch auf dem gleichen Flur lagen. Dieses Szenario ist aber wirklich extrem selten. Zumeist findet die Entnahme der Stammzellen in einem speziellen Zentrum statt. Spender und Empfänger dürfen sich nach einer bestimmten Frist kennen lernen, wenn beide das möchten. Zumeist sind das ein bis zwei Jahre, die Fristen werden von jedem Land hoheitlich festgelegt.

Viele Patienten haben auch das große Bedürfnis, sich bei ihrem Lebensretter zu bedanken.

Man erfährt aber schon, aus welchem Land der Patient ist und ob es ein Mann, eine Frau oder ein Kind ist. Viele schicken mit den Zellen auch einen persönlichen Gruß (anonym) an den Patienten mit und viele Patienten haben auch das große Bedürfnis, sich bei ihrem Lebensretter zu bedanken. Über die Dateien wird dann dieser Austausch organisiert bis die Kennenlern-Sperre aufgehoben wird.

9. Kann ich meine Meinung noch ändern, wenn ich mich registriert habe und später zum Spenden aufgerufen werde?

Mein Einverständnis zur Spende kann ich jederzeit und zu jedem Zeitpunkt zurückziehen. Es ist eine komplett freiwillige und altruistische Tat, Stammzellen zu spenden. Allerdings sollte man sich vor Augen führen, dass eine Absage, wenn man tatsächlich als Spender ermittelt wurde, für einen anderen Menschen das Todesurteil bedeuten kann. Daher legen wir jedem ans Herz, sich nur zu registrieren, wenn man sich auch wirklich vorstellen kann zu spenden. Wenn man zum Zeitpunkt der Spende aus bestimmten Gründen verhindert ist (Schwangerschaft, länger Auslandsaufenthalt, schwerwiegende persönliche Gründe) ist das natürlich etwas anderes und wird auch von jedem verstanden.

10. Wie kann ich Menschen mit Blutkrebs noch helfen, wenn nicht als Stammzellenspender?

Da komme ich direkt zurück auf die erste Frage. Stammzellspender werden immer und in großer Anzahl gebraucht, um den Pool der passenden fremden Spender zu groß wie möglich zu machen. Die Suche nach den Spendern ist aufwändig und kostet Geld. Ein neuer Spender kostet im Schnitt 40 Euro, bis er auf der Datei ist. Geldspenden sind daher die Lebensader für die fremde Stammzellspende, denn nur wenn ein Spender gefunden wird, kann auch transplantiert werden. Es gibt viele Möglichkeiten zu spenden und jede Datei braucht diese Unterstützung. Uns kann man hier helfen: www.blutev.de/geld-spenden/?neues-spendenformular-2397/spende

Eine andere Möglichkeit zu helfen ist es, selbst eine Aktion zu organisieren, mit Kollegen, im Verein oder in der Schule oder bei einer Veranstaltung. Wir sind für jede Idee offen und kommen gerne, ruft uns einfach an +49 8179 94 38 33 oder schreibt eine kurze Mail an info@blutev.de. Jede einzelne Aktion zählt – ich sage immer, gemeinsam können wir so viel erreichen!


Über blut.eV

Der Verein blut.eV, Bürger für Leukämie- und Tumorerkrankte, wurde 1996 gegründet, um für eine Kollegin und Freundin der Gründer einen lebensrettenden Stammzellspender zu finden. Heute organsiert der Verein Typisierungsaktionen, leitet Selbsthilfegruppen für Leukämie- und Lymphompatienten, betreut Patienten sowie Angehörige und ist als Veranstalter und Mitorganisator der Benefizläufe „Weingartner Lebenslauf“ und „Königsdorfer Lebenslauf“ aktiv. Über 103.000 Spender konnten bis Januar 2020 gefunden werden und mehr als 780 Menschen wurde mit einer Stammzellspende die Chance auf Heilung geschenkt.

www.blutev.de


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