Wenn Sie in Ihrem Umfeld Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder oder Angehörige mit Diabetes mellitus haben, kann die Frage aufkommen, was geschieht, wenn die Person unter- oder überzuckert ist. Dieser Beitrag erklärt die Ursachen, Symptome und beschreibt, wie Sie im Notfall reagieren können.
In vielen Fällen haben Menschen, bei denen die Diabetes-Diagnose eine Weile zurückliegt, ihre Erkrankung gut unter Kontrolle und sie wissen, was sie bei einer Unter- oder Überzuckerung zu tun haben. Im besten Fall wissen sie, wie Ernstfällen vorbeugen. Personen aus deren Umfeld können sich jedoch für den Notfall informieren, was sie tun müssen, um einen Menschen mit Diabetes mellitus unterstützen zu können.
Begriffsklärungen – das ist Diabetes
- Diabetes mellitus: Der Begriff bezeichnet verschiedene Stoffwechselerkrankungen. Bezeichnend für die, im Volksmund bekannte „Zuckerkrankheit“ ist, dass eine Störung der Insulinwirkung oder ein Mangel an Insulin zu höheren Blutzuckerwerten führt.
- Insulin: Insulin ist ein Hormon, das primär die Funktion hat, Glukose (Traubenzucker) aus dem Blut in die Zellen zu transportieren. Der Zucker wird hierin als Treibstoff für die Energiegewinnung genutzt.
- Diabetes Typ I: Dieser Diabetes-Typ zeichnet sich durch einen Insulinmangel aus, da die Bauchspeicheldrüse das Hormon nicht produziert. Menschen mit Diabetes Typ I müssen sich ein Leben lang Insulin injizieren. Die Erkrankung wird oft im Kinder- oder Jugendalter festgestellt.
- Diabetes Typ II: Der Diabetes-Typ kommt zum Vorschein, wenn Körperzellen eine Insulinresistenz entwickeln oder die Bauchspeicheldrüse „zu erschöpft“ ist, um eine ausreichende Menge Insulin zu produzieren. Gründe dafür sind eine erbliche Veranlagung oder Übergewicht und Bewegungsmangel.
Menschen mit Diabetes messen ihren Blutzucker in der Regel zu festen Zeiten – beispielsweise vor dem Essen, da sich Blutzucker-Zielwerte auf den Nüchternzucker beziehen. Manchmal kann es aber auch notwendig werden, zwischendurch den Blutzuckerwert zu kontrollieren. Hier einige Beispiele: Bei Unwohlsein, Infektionen, starkem Durst oder Harndrang, Probleme mit dem Verdauungssystem, Diätfehlern und einer vergessenen Medikation bzw. nach einer anstrengenden körperlichen Aktivität oder auf Reisen.
Das passiert bei Unter- und Überzuckerung
Es ist üblich, dass Blutzuckerwerte schwanken – das gilt ebenso für Menschen, die kein Diabetes haben. Menschen ohne Diabetes haben Blutzuckerwerte von 3,3 bis 7,8 mmol/l (gesprochen: „Millimol pro Liter“). Dies entspricht etwa 60 bis 140 Milligramm Zucker pro Deziliter Blut. Nach einer Mahlzeit sind die Blutzuckerwerte in der Regel höher. Von einer Überzuckerung spricht man, wenn der gemessene Wert oberhalb des Bereichs liegt – von einer Unterzuckerung infolgedessen, wenn der Blutzuckerwert kleiner als 3,3 mmol/l ist.
Eine Unterzuckerung kann bei Menschen mit Diabetes in Erscheinung treten, wenn Fehler bei der Medikation gemacht werden, eine Mahlzeit ausgelassen wurde, bei hohem Alkoholkonsum oder wenn ein Ungleichgewicht zwischen sportlicher Aktivität, Medikamenten und Ernährung auftritt. Bei Unterzuckerung – oder auch Hypoglykämie – erlangen die Körperzellen keine ausreichende Energiezufuhr. Das kann unbehandelt dazu führen, dass die Betroffenen Schwierigkeiten mit dem Kreislauf oder der Atmung bekommen, Krampfanfälle oder Lähmungen auftreten oder sie sogar bewusstlos werden.
Die Ursache der Überzuckerung ist der Mangel an Insulin bzw. die mangelnde Wirkung des Hormons. Man nennt es auch Hyperglykämie. Diese hat eine Stoffwechselentgleisung zur Folge. Während sich der Blutzuckerspiegel erhöht, da der Zucker in der Blutbahn nicht an die Körperzellen abgegeben wird, müssen die Zellen ihre Energie aus anderweitigen Quellen ziehen. Dafür greifen sie auf Fettsäuren zurück. Eine Überzuckerung oder Hyperglykämie kann bei Menschen mit Typ I-Diabetes zu einer sogenannten diabetische Ketoazidose führen: Bei der Energiegewinnung durch Fette entstehen Ketonkörper, die sich im Blut anreichern – wodurch dieses sauer wird (Azidose). Werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, kann diese Stoffwechselentgleisung zu einem diabetischen Koma führen.
Bei Personen mit Typ II-Diabetes produziert die Bauchspeicheldrüse noch weiterhin in geringen Mengen Insulin, wodurch eine Ketoazidose viel weniger wahrscheinlich auftritt. Trotzdem ist es auch hier möglich, dass der Blutzuckerspiel stark über die Normalwerte hinausschießt. Dabei können die Personen Zeichen von starkem Flüssigkeitsmangel zeigen und schleichend in ein hyperosmolares Koma fallen und bzw. oder ein Nierenversagen erleiden.
Hinweis: Die Symptome und ihre Schweregrade variieren von Person zu Person
Symptome der Unterzuckerung
- Blässe
- Geweitete Pupillen
- Heißhunger
- kalter Schweiß
- Konzentrationsstörungen bis zu Verwirrtheit
- Kopfschmerzen
- Nach nächtlicher Unterzuckerung fühlen sich Betroffene oft schlapp und ausgelaugt
- schneller Puls bzw. „Herzjagen“
- Sprach- und Sehstörungen
- Unruhe, Nervosität, Angstgefühle
- Zittern, weiche Knie
- Bei fortgeschrittener Unterzuckerung: Krampfanfälle und Störungen des Verhaltens, der Koordination sowie des Bewusstseins
Symptome der Überzuckerung
Diabetes Typ-I: Diese Symptome verweisen auf eine Ketoazidose
- Acetongeruch beim Ausatmen (erinnert an Lackentferner)
- Appetitlosigkeit
- Bauchschmerzen
- Erbrechen
- Gewichtsverlust
- Häufiger Gang zur Toilette, starker Harndrang
- Müdigkeit und Schwächegefühl
- Schneller Herzschlag
- Starker Durst
- Tiefere Atmung
- Übelkeit
Diabetes Typ-II: Diese Symptome verweisen auf einen hyperosmolaren Zustand
- Es zeigen sich Anzeichen einer Dehydration
- Häufiger Gang zur Toilette, starker Harndrang
- Krämpfe (z.B. in der Wade)
- Niedriger Blutdruck
- Beschleunigter Herzschlag
- Person sieht verschwommen
- Schwierigkeiten beim Sprechen oder Schlucken
- Schwindel
- Starker Durst (verweist auf Dehydration)
Erste Hilfe leisten: So können Sie Ihr Umfeld unterstützen
Als Erstes muss die Entscheidung getroffen, wie schwerwiegend die Über- oder Unterzuckerung ist bzw. wie weit fortgeschritten. Bei einer Unterzuckerung sollte der Blutzuckerwert wieder ausgeglichen werden, um einen Wert im Normbereich zu erreichen. Die betroffene Person sollte dazu eine kleine zuckerhaltige Mahlzeit zu sich nehmen oder zuckerhaltige Limonade trinken, bis sich die Werte normalisieren. Geben Sie ihm oder ihr bei Bedarf Traubenzucker, ungefähr vier bis sechs Plättchen oder alternativ einen Saft, (zuckerhaltige!) Cola, Limonade oder eine Süßigkeit. Zeigt ein Diabetiker oder eine Diabetikerin Anzeichen schwerer Unterzuckerung und kann sich nicht mehr selbst behelfen, ist er oder sie auf Ihr Eingreifen angewiesen.
Wird eine Person mit Diabetes und Unterzuckerung bewusstlos, dann:
- Rufen Sie einen Notarzt und informieren Sie diesen, dass die bewusstlose Person Diabetes hat
- Versetzen Sie die Person in die stabile Seitenlage
- Wichtig: Geben Sie der Person keine Flüssigkeit oder Nahrungsmittel (Erstickungsgefahr!)
- Wacht die Person auf, können Sie Ihr Traubenzucker oder einen Saft geben
Zeigt eine Person Symptome einer akuten Überzuckerung und hat Blutzuckerwerte über 13,9 mmol/l (bzw. 250 mg/dl), können Sie diese Maßnahmen ergreifen:
- Rufen Sie bei einem Notarzt an und fragen Sie nach Anweisungen. Dieser entscheidet, ob die Person im Krankenhaus oder ambulant behandelt werden kann
- Muss die Person sich übergeben, rufen Sie einen Rettungsdienst oder fahren Sie in die Notaufnahme
- Die Person benötigt eine Insulininjektion, um die Blutzuckerwerte zu senken
- Geben Sie der Person ausreichend zu Trinken, um eine Dehydrierung zu vermeiden
- Die Person soll sich ausruhen und darf nicht einschlafen
Übrigens: An einer Schulung zum Thema Diabetes dürfen auch Angehörige teilnehmen – nicht nur die Patienten selbst. Dort lernen Sie z.B., wie man einen Blutzuckerspiegel misst, wie Medikamente wirken und wie Sie Injektionen verabreichen und ebenso wie Sie einer Stoffwechselentgleisung vorbeugen können. Wenn Sie eine Diabetesschulung in Erwägung ziehen, können Sie sich an Ihren Hausarzt, eine Diabetes-Selbsthilfegruppe oder an eine diabetologische Schwerpunktpraxis wenden und sich erste Informationen einholen.
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